Die zunehmende Antibiotikaresistenz in Deutschland und in anderen Industrieländern bereitet Medizinern Sorgen. Bisher gab es zumindest für den Fall, dass herkömmliche Antibiotika nicht wirken, noch so genannte Reserve-Antibiotika wie Colistin. Doch eine aktuelle Mitteilung des Bundesinstituts für Risikoforschung (BfR) zeigt, dass auch diese möglicherweise bald nicht mehr die gewünschte Wirkung erzeugen könnten.
In China wurde jüngst zum ersten Mal ein Keim entdeckt, bei dem eine bis dato unbekannte Resistenz gegen das Reserve-Antibiotikum Colistin gefunden wurde. Sowohl bei Tieren, Lebensmitteln und Menschen wurden die Keime mit dem dafür verantwortlichen Gen mcr-1 nachgewiesen. „Die Autoren führten das Vorkommen dieses Gens auf den häufigen Einsatz von Colistin in der chinesischen Tierhaltung zurück“, so das BfR.
Doch die Beobachtungen in China sind kein Einzelfall. Nun haben dänische Behörden den Nachweis des Gens in Proben von deutschem Geflügelfleisch erbracht. Eine Blutstrominfektion bei einem dänischen Patienten wurde ebenfalls festgestellt. Tests in den Niederlanden und in England brachten dieselben Ergebnisse.
In Deutschland kommt das Reserve-Antibiotikum vor allem in der Nutztierhaltung zur Behandlung von Darmerkrankungen zum Einsatz. Beim Menschen dient es als Antibiotikum speziell bei Carbapenem-resistenten Enterobakterien. Und zwar dann, wenn diese gegen andere, für den Menschen besser verträgliche Antibiotika eine Resistenz zeigen. Der Superkeim aus China kann aber dieses Notmittel mit seinem Gen mcr-1 zunichtemachen.
„Mcr-1 ist ein Enzym der Gruppe der Phosphoethanolamin-Transferasen, welches Phosphoethanolamin an LPS anhängt und das Bakterium somit unempfindlich gegenüber Colistin macht“, so das Robert Koch Institut. Es gebe erste Hinweise einer Verbreitung auch in Europa. „Die prinzipielle Gefahr des Aufkommens und der Plasmid-vermittelten Verbreitung einer neuartigen übertragbaren Colistin-Resistenz erfordert eine intensivierte Überwachung der Resistenzsituation im veterinär- wie auch im humanmedizinischen Bereich, um einen Überblick über die aktuelle Lage in Deutschland zu erhalten.“
Im Gegensatz zu den bisherigen Colistin-Resistenzen ist das Gen mcr-1 aber zwischen Bakterienstämmen übertragbar. Das könnte die Verbreitung beschleunigen. Aus diesem Grund hat das Robert Koch Institut deutsche Labore aufgerufen, ihre Colistin-resistenten, humanen Isolate an Referenzlabore zu schicken. Immerhin haben die Untersuchungen bisher gezeigt, dass das Resistenzgen wahrscheinlich bereits seit 2010 in Tieren zu finden ist. Damit hatte es immerhin fünf Jahre Zeit, sich weiter unentdeckt auszubreiten.
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